Geschichte der Professur
Historische Entwicklung der Landwirtschaftlichen Betriebslehre an der MLU-Halle
Mit der Berufung Julius KÜHNs (1825 – 1910) zum ordentlichen Professor für Landwirtschaft 1862 und der im Jahr darauffolgenden Gründung des Landwirtschaftlichen Institutes an der Philosophischen Fakultät der Universität Halle wurde erstmalig das Landwirtschaftsstudium an einer Universität eingeführt. In seinem Programm für das Studium der Landwirtschaft benennt KÜHN die Betriebswirtschaft als ein Hauptgebiet des Lehrgebäudes. Er war aber primär naturwissenschaftlich orientiert und behandelte betriebswirtschaftliche Fragen eingebunden in seine Acker- und Pflanzenbau- und Tierzuchtvorlesungen. Auf nationalökonomischem Gebiet arbeitete er eng mit Johannes CONRAD (1839 – 1915) zusammen, der seit 1870 in Halle lehrte und sich vor allem mit Fragen der Agrarstatistik und -politik befasste.
Der KÜHN-Schüler Karl STEINBRÜCK (1869 – 1932) begründete dann die eigenständige Landwirtschaftliche Betriebswirtschaft als Lehrgebiet und Forschungsgegenstand in Halle. Er habilitierte sich 1900 und erhält einen Lehrauftrag für Landwirtschaftliche Betriebslehre und Molkereiwesen. Als 1920 innerhalb des von KÜHN gegründeten Landwirtschaftlichen Institutes fünf Einzelinstitute entstanden, war darunter auch das für Landwirtschaftliche Betriebslehre unter Leitung Karl STEINBRÜCKs, der 1924 zum ordentlichen Professor für Landwirtschaftliche Betriebslehre berufen und zum Direktor des Gesamtinstitutes ernannt wurde.
Sein Nachfolger war Emil WOERMANN (1899 – 1980), der u.a. in Halle studiert hatte und hier auch 1925 promovierte. Er habilitierte sich an der TH Danzig für das Fach Wirtschaftslehre des Landbaues und erhielt 1933 das Ordinariat für Landwirtschaftliche Betriebslehre in Halle. Hier entwickelte WOERMANN mit seinen Mitarbeitern die Getreideeinheit (GE), die als Naturmaßstab für betriebliche Leistungen und in Betriebsvergleichen breite Anwendung fand. In Halle wirkte er auch als Prorektor und Rektor der Universität. Von den Nationalsozialisten verhaftet kam er 1945 frei, war noch einmal kurz an seiner Wirkungsstätte in Halle und wechselte 1948 nach Göttingen.
Als WOERMANNs Nachfolger kommt 1949 Georg BLOHM (1896 – 1982) nach Halle. Inzwischen war hier 1947 die Landwirtschaftliche Fakultät gegründet worden. Und in der Folge kommt es zu einer vielfältigen inhaltlichen Spezialisierung und organisatorisch tieferen Gliederung. So gewinnt unter BLOHM die Landarbeitslehre größere Bedeutung. Er übernimmt dann auch das Institut für Landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitslehre.
Für die Landarbeitslehre war ab 1950 Georg DERLITZKI (1889 – 1958) zuständig. Als Nestor der Landarbeitslehre wurde er 1952 zum Professor mit vollem Lehrauftrag ernannt.
Sein Nachfolger Albrecht BAIL (1915) – 1991) wurde Direktor des 1960 ausgegründeten Institutes für Arbeitsökonomik. Er wirkte bis 1982, ihm Folgte Edmund REULE. Mit der Evaluierung 1989/90 erlosch die Arbeitsökonomik als selbständiges Lehrgebiet.
Schon seit 1939 wurde Buchführung und Taxationslehre als Zweig der Betriebslehre von Heinrich ROTH (1900 – 1973) gelesen, der 1931/32 den betriebswirtschaftlichen Lehrstuhl in Halle vertretungsweise innehatte. Er leitete neben seinen universitären Aufgaben eine große Buchführungsstelle, aus der umfangreiches Vergleichsmaterial für Lehr- und Forschungszwecke zur Verfügung stand. Nach einer Unterbrechung seiner universitären Tätigkeit wurde ROTH zum Direktor des betriebswirtschaftlichen Lehrstuhles in Jena berufen. Die Kennzahlensammlung von ROTH, ANTON, BEYSE gehörte lange zum Rüstzeug in Forschung und Praxis. In Halle wurde die Rechnungsführung und Betriebsstatistik durch E.-W. PAASCH und W. BEYER, durch P. WISSING und W. TRILLER fortgeführt.
Neben BLOHM wirkte auf agrarökonomischen Gebiet Erich HOFFMANN (1904 – 1989), der 1947 zum Professor berufen wurde und ab 1949 das Institut für Agrarwesen leitete. Mit dem Wechsel Blohms nach Kiel im Jahre 1952 wurde Erich HOFFMANN mit der Leitung beider Institute beauftragt. Er wurde aus politischen Gründen 1958 aus der Universität gedrängt. HOFFMANN gab der Landwirtschaftlichen Betriebswirtschaft in Halle vielfältige Impulse. Sein Verdienst war, dass er die Mathematik der Betriebswirtschaft nutzbar machte, vor allem mit der Anwendung der mathematischen Optimierung für die Gestaltung der Betriebsorganisation. Er legte auch den Grundstein für ein Institut für Agrargeographie, das von Walter ROUBITSCHEK geleitet und in der Professur für Agrargeographie und Raumordnung durch H.-F. WOLLKOPF bis zum Auslaufen 2005 fortgeführt wurde.
Von 1960 – 1985 wurde die Betriebswirtschaft durch Paul STOPPORKA (1923 – 2000) vertreten. Er versuchte mit seinen Mitarbeitern den Spagat zwischen betriebswirtschaftlichem Denken und den durch Partei- und Staatsdoktrin verordneten Dogmen und Vorgaben von Produktionsbedingungen.
Nach der politischen Wende 1989 wurden für das Fachgebiet Betriebswirtschaft zwei Professuren eingerichtet, die für die Unternehmensführung und für die Wirtschaftslehre des Landbaues. Beide Professuren waren Bestandteil des Institutes für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues. Das Institut wurde später in das Institut für Agrarökonomie und Agrarraumgestaltung umgewandelt.
Auf die Professur Wirtschaftslehre des Landbaues wurde Diethard ROST 1990 berufen. Schwerpunkte seiner Forschungsaufgaben ergaben sich aus der Umstrukturierung der ostdeutschen Landwirtschaft nach der politischen Wende.
ROST wurde zum 30. September 2001 emeritiert. Nach zwischenzeitlicher Vertretung durch BALMANN ist sein Nachfolger seit 1.10.2002 Peter WAGNER. WAGNER studierte und habilitierte in Gießen als Schüler von KUHLMANN. Bald nach einem Forschungs- und Studienaufenthalt in den USA an der Michigan-State-University ging er nach Weihenstephan, um dort die Nachfolge von BERG anzutreten. Nach Rufablehnung auf die Nachfolge LANGBEHN in Kiel (2002) folgte er dem Ruf nach Halle zum WS 2002/03 auf die nun umbenannte Professur für Landwirtschaftliche Betriebslehre. Diese Professur war bis zum 10. September 2006 Bestandteil des Institutes für Agrarökonomie und Agrarraumgestaltung und gehört seit Oktober 2006 zum Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Naturwissenschaftlichen Fakultät III der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.